Meinen ersten Kurs beim "Altmeister des Westernreitens" belegte ich 1991 und es folgten noch viele. Ich persönlich würde nie behauptet, ich sei mit Jean-Claude Dysli befreundet gewesen, auch wenn er es mir in einer persönlichen Widmung in seinem Buch sogar schriftlich "bestätigt" hat. Aber sowas ist nicht wichtig, es sind nur Zeilen auf Papier. Wichtig ist, er bleibt in meinem Herzen. Ich denke, wirkliche Freunde hatte jemand, der so prominent war wie er, nur ganz wenige. Aber uns hat schon all die Jahre etwas miteinander verbunden; durch meine langjährige Organisation des Westernplatzes auf der „Pferd International“ versuchten wir beide, den Menschen pferdegerechtes Reiten näher zu bringen.

Wir waren sehr ernsthaft daran interessiert den Reitern zu erklären, dass sie doch alle nur ein Pferd reiten, egal welche Rasse, es funktioniert immer gleich. Und gutes Reiten gibt es immer, es kann auf jeder Rasse und mit jeder Reitweise funktionieren. Manchmal gelang es.

Aber so bekannt JCD auch war, als VIP immer umringt von so vielen, die glaubten, sie hätten mit ihrem Kursplatz auch den Menschen gebucht, so unkompliziert war er, wenn man mit zusammengearbeitet hat. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich ihm den Vorschlag des Pferdetausches machte, kam umgehend die Zusage, obwohl zu diesem Zeitpunkt der Dressurreiter noch nicht feststand. In der kurzen internen Vorbesprechung mit Isabell Werth zeigte er sich von seiner galantesten Seite und man merkte ihm an, dass er durchaus ehrfürchtig zur vielfachen Welt-, Europameisterin und Olympiasiegerin aufschaute. Er wusste sich eben einzuordnen. Demut - diese Eigenschaft hat man – oder auch nicht. Meine Güte, wie sehr fehlt sie so vielen jungen Trainern oder die sich dafür halten.

Jean-Claude Dysli - sein Credo:  Balance - Feeling - Timing

Meine Balance:

Obwohl ich mich in meinen über 60 Jahren viel engagiert habe, so manche Stunde mit ehrenamtlicher Tätigkeit verbrachte, kann ich durchaus sagen, dass ich immer die Ausgewogenheit zwischen Anspannung und Ruhe gefunden habe, obwohl viele die mich kennen von mir sagen, ich würde immer unter Strom stehen. Aber ich erkannte stets, wann es Zeit war inne zu halten. Und es gab viele Momente, an die ich mich erinnere: Als Jean-Claude in Lauterbach nach der Mittagspause in der frisch planierten Halle erschien und sofort nach dem Aufsteigen begann, rückwärts mit Okie eine Acht zu reiten. Wir standen mit offenem Mund da und staunten, einige applaudierten. Es war einer der Augenblicke, wo ich heute noch Gänsehaut bekomme, wenn ich nur daran denke. Er aber stieg ab und deutete auf einen Punkt auf seiner Acht und meinte, dass er da wohl etwas aus der Spur geraten sei. Wohlgemerkt er und nicht Okie. So war er eben, in gewisser Weise ein Perfektionist und das,  glaube ich, war auch der Grund, warum er nach der Pensionierung  seines Partners Okie nicht mehr so zurecht kam. Es fehlte die andere Hälfte. Und zur Balance benötigt man zwei Hälften.

Mein Gefühl:

Man muss sich vorstellen, dass es ja Ende der 80iger nicht diese vernetzte Kommunikation gab wie heute, da ging noch alles etwas anders….Es gab ein paar JCD-Anhänger, die sich nach seinem Auftritt auf der Americana 1988 gefunden hatten und nun die VHS Kassetten der „lässigen Eleganz“ rauf und runter „beten“ konnten. Und so trafen wir uns zum geselligen Beisammensein mit einem Videorecorder und einem Sägebock, auf dem ein Westernsattel lag und übten trocken, was uns der Meister empfahl. Abwechselnd nahmen wir auf dem Sattel Platz und rutschten hin und her, um optimal das Gewicht zu verteilen, das man für den Angalopp oder den Rollback brauchte. Jahre später erzählten wir Jean-Claude von unseren Übungen, der kam aus dem Lachen gar nicht mehr heraus. Uns war es auf jeden Fall damit sehr ernst, wir wollten das richtig erlernen.

Wer Jean-Claude gut kannte, wusste die Kommentare auf den Kursen richtig einzuschätzen: Da gab es das „das klappt ja schon ganz gut“ über „gut, das reicht“, und dann für diejenigen, die mit ausgebildeten, abgerichteten Pferden kamen und meinten, sie könnten schon alles, das überschwängliche Lob, weil er wusste, er könne da eh nichts ändern. Manchmal kam es vor, dass einer auf dem Zirkel galoppierte und Jean-Claude sich im Erzählen von Geschichten aus alten Zeiten verstieg und den armen Schüler in seiner x-ten Runde ganz vergaß. Ich habe extrem lange gebraucht, um im Galopp locker zu sitzen, ich hatte immer die Beine dran und zu weit hinten. Sein Kommentar war immer, „Die Gabi sitzt gut, aber man sieht immer noch, dass sie mal Englisch geritten ist“. Erst vor einigen Jahren kam ein knappes „Na, Du hast es ja doch noch gelernt“ – Mann war ich stolz! Ehrliche Komplimente konnte man erfühlen und richtig einordnen!

Als ich Gerd Heuschmann kennenlernte, war mir sofort klar, dass diese beiden auf einer Wellenlänge lagen. Mein Gefühl sagte mir, obwohl ihre Ansätze verschieden waren, ihr Ziel war ein gemeinsames. Und so kam es auf meine Initiative hin und organisiert von Isabella Sonntag zum Treffen der beiden in Schwaiganger. 2012 trafen sich die beiden innerhalb der Veranstaltungsreihe „Der Roundpen im Viereck“ in Riem wieder. Unterstützt von Bernd Hackl war es ein wunderbarer Tag. Ein unvergesslicher Augenblick. Mein Versuch, die Reiter vom Schleifensammler zum Momentensammler zu verändern, fand hier seinen Höhepunkt.

Mein Timing:

Wie heißt es dazu so schön bei Wikipedia: (optimale) zeitliche Abstimmung zweier Aktionen oder Ereignisse. Ja das war es wirklich! 1980 erstes eigene Pferd, 1983 Umstieg auf eine hann. Schimmelstute, Einstieg in den ländlichen Dressursport, erste Erfolge in A und L, auf dem Weg zur LK 3. Dann ein Break, da die Stute mit 8 Jahren sowohl Spat als auch Hufrolle hatte. In dieser Zeit erfolgte eine Neuorientierung. 1987 stellte ich fest, dass Reiten nicht nur aus dem Weg vom Stall in die Halle besteht. Und dann 1988 Besuch der Americana in der Münchner Olympiahalle (ich hatte bereits 15 Jahre Reiterleben hinter mir), habe das erste Mal Jean-Claude Dysli reiten sehen und bin mit fliegenden Fahnen zum Westernreiten gewechselt. Man stelle sich vor: Ich als Dressurreiter habe am nächsten Tag mein Sparbuch geplündert, einen Westernsattel und ein Pad gekauft und auf meine lange Oldenburger Stute gelegt. Von nun an ritt ich „anders“. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und vor allem Jean-Claude war da. Ich sah zum ersten Mal, dass man nicht zerren muss, um ein Pferd um die Ecke zu reiten. Vor 30 Jahren sprach man noch nicht von Rollkur, aber es gab schon damals schlechte Bilder auf den Abreiteplätzen. Und gefühlsmäßig wusste ich damals schon, dass es nicht richtig war. Aber nur wenige haben es in den Jahren danach so direkt angesprochen wie Jean-Claude. 

Jean-Claude Dysli wurde oft als Altmeister angekündigt ja,  er war der Meister seines Fachs. Nicht unumstritten, nicht zuletzt weil er im Alter immer weniger ein Blatt vor den Mund nahm. Und weil er öffentlich die Trainingsmethoden anprangerte, die seinem Naturell widersprachen. Dazu gehörte das Abrichten von Pferden. Weil in dieser Art des Trainings das Pferd nicht als ebenbürtiger Partner angesehen wird.