Pferde gibt es seit Jahrtausenden. Die Pferdezucht hat sich quer über alle Rassen verändert; nicht nur in der Vielfalt, sondern auch in der Qualität. Gangqualität und Exterieur haben sich enorm verbessert. Einfacher sind diese "Produkte" jedoch für "Otto Normalverbraucher" nicht geworden. Aber auch die Möglichkeiten der Fortbildung von Pferd und Reiter sind vielfältiger als früher. Es wird getanzt, geklickert, gewedelt, gespielt und geflüstert was das Zeug hält.

Man hat das Gefühl, das Pferd wird täglich neu erfunden und zusätzlich wird ein Mythos um das Pferd entwickelt, der seinesgleichen sucht. Heutzutage bekommt man nicht einfach "Reitunterricht", nein, man sucht den ganzheitlichen Ansatz: Spazieren gehen mit dem Pferd wird zur Mode (wer ein Tier an der Leine führen will, kauft sich einen Hund), ohne richtige Fütterung kein gesundes Pferd, ohne Bodenarbeit kein funktionierendes Pferd. Homöopathische Zusatzmittel sorgen für die ausgeglichene Psyche des Pferdes und der Reiter. Die neu erfundenen Ausrüstungsgegenstände sind dringend notwendig, ergänzen natürlich den Maßsattel. Bücher und die DVD`s der Trainer können auf den Kursen praktischerweise gleich mit erworben werden, unden das "Programm" ab. Warum gibt es keine Reiter App zur Behebung von Problemen mit dem Pferd? Am besten gleich online verbunden mit dem Pferdeostheopathen des Vertrauens. Aber ich frage mich, warum sind diese Gurus so erfolgreich?

Zuerst muss festgestellt werden, dass mindestens 90% der Kundschaft Frauen sind, die einem männlichen Referenten mit Charisma und Selbstbewusstsein im Seminar ziemlich ausgeliefert sind. Der gute Kursleiter bringt nicht nur Talent und Erfahrung mit, sondern ist auch in der Lage die Probleme am Pferd sofort und sichtbar für alle zu beheben. Er hat ein ganz "neues Konzept" oder zumindest alte Geheimnisse neu für sich entdeckt. Sein Wortschatz beinhaltet neue, bisher unbekannte Begriffe. Eigentlich müsste er den Pferdebesitzern und Reitern helfen, aber für ihn ist es wesentlich wirkungsvoller die Pferde zu behandeln. Dass dabei plakative Erfolge voran gestellt werden, ist nicht in erster Linie die Schuld der Lehrer, sondern die Leichtgläubigkeit der Schüler. Für den Kursleiter ist ein Pferd nur so lange interessant, wie es ein Problempferd ist. Sind alle "Probleme" beseitigt und aus dem schwierigen Pferd ein ganz normales Reitpferd geworden, kann er nicht mehr glänzen. 

Ich bin auch immer wieder erstaunt, wie kritiklos so vieles übernommen wird, ohne darüber nachzudenken. Vielfach spezialisieren sich die einzelnen Trainer auf eine gewisse Art von Problempferden, mit denen sie ihre Wirkung zeigen können. Lässt dann der Erfolg des letzten Kurses nach, wird dann der nächste besucht und wieder etwas ganz anderes ausprobiert. Bekanntlich führen ja viele Wege nach Rom, manchmal würde es helfen, nur einfach seinen Kopf einzuschalten und den eingeschlagenen Weg konsequent eine Zeitlang zu verfolgen. Zur Standortbestimmung hilft immer wieder, die Pferde in einem funktionierenden Herdenverband zu beobachten. Das Pferd fühlt sich am wohlsten unter Pferden! Ein fundiertes Wissen über die Anatomie und das Gangverhalten würde auch so manches "Problem" von alleine lösen. 

Nicht falsch verstehen: Fortbildung für Pferd und Reiter ist enorm wichtig, aber der beste Reitlehrer nützt nichts, wenn man nicht bereit ist, an sich selbst zu arbeiten. Der alte Spruch "Reiten lernt man nur durch reiten" stimmt zu 100%. Aber mir geht es darum, diese "Kurstouristik" etwas einzudämmen. Wenn ich krumm auf dem Pferd sitze, immer eine Seite ungleich belaste, und das nicht abstelle, werden mir auf Dauer weder ein guter Pferdeosteopath noch diverse Kurse Abhilfe bringen. Auch ein Reitlehrer, der regelmäßig im Unterricht "sitz nach rechts" herunterbetet, wird keinen Erfolg bringen, wenn man nicht an sich arbeitet, solch ein Manko abzustellen oder mal selbst einen Osteopathen aufzusucht.